2. Todestag von Marwa El-Sherbiny

Die Verantwortung für den rassistischen Mord an der muslimischen Ägypterin Marwa El-Sherbiny muss restlos geklärt werden

(erweiterter Beitrag bei der Abschlusskundgebung der Gedenk-Demonstration zum 2. Todestag von Marwa El_Sherbiny in Dresden am 01.07.2011)

Die Trauer, Wut und Empörung, die Betroffenheit über den feigen, rassistischen Mordanschlag auf Marwa hält auch zwei Jahre nach der unfassbaren Tat im Gerichtssaal des Landgerichts Dresden an. Trauer und Betroffenheit aber dürfen uns nicht sprachlos machen. Wir müssen weiter nach den Ursachen fragen und die Familie bei ihren Bemühungen unterstützen, die Mitverantwortung von staatlichen Stellen an diesem Verbrechen zu klären und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Dann wird die Trauer für Marwa unserem Kampf gegen antimuslimischen Rassismus und drohende zukünftige Opfer weiterhelfen!

Zunächst möchte ich die Grüße der Familie ausrichten, die in einer Erklärung aus Anlass des zweiten Todestages von Marwa mitteilt:

»Zu Beginn möchte die Familie ihren tiefen Dank und Wertschätzung der ägyptischen, arabischen, islamischen und christlichen Welt sowie dem europäischen und dem deutschen Volk übermitteln für ihre Unterstützung in dieser schweren Trauerfall, dieses Mal nach der ägyptischen Revolution die so viele Märtyrer zurückgelassen hat, die für ihre Freiheit gekämpft haben, wie Marwa für den Islam

Die Familie verlangt von den ägyptischen Autoritäten vor Ort und im Ausland, „keinesfalls an irgendeiner Zeremonie zum Gedenken des Martyriums in Deutschland teilzunehmen, das beabsichtigt, die Fakten dieses Falles zuzudecken, soweit die deutsche Seite erklärt, Marwas Recht ist verwirklicht: dies ist nicht wahr! Derartige Positionen haben eine negative Auswirkung auf die legalen Positionen der Familie.“  Die Familie betont weiter: Sie wolle keinen Schmerz mehr, aber »wir wollen die Bestrafung der Verantwortlichen für diesen Vorfall, und jeder Person, die unverantwortlich bei der Aufgabe handelte, den Mord an einer moslemischen Frau zu verhindern.  …

Ihre Familie und Freunde bestehen darauf, die Rechte der Märtyrerin zu erhalten, und auf der Bestrafung der Verantwortlichen für diesen Vorfall sowie eine offizielle Entschuldigung der deutschen Regierung, die sich bis jetzt nicht mit irgend einem Wort des  Bedauerns an die Familie gewandt  hat«

Dies ist auch der Grund, warum kein Vertreter der Familie der Einladung des Justizministers von Sachsen zur Teilnahme an der Kundgebung im Landgericht gefolgt ist.

Als ich im Oktober letzten Jahres zusammen mit dem Kollegen Khaled Abou Bakr Othman aus Kairo die anwaltliche Vertretung der Familie übernommen habe, war mir der „Fall Marwa“ natürlich schon aus den Medien und meiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte bekannt. Die Liga arbeitet im Geist von Carl von Ossietzky, dem mutigen Journalisten, der wegen seines Kampfes gegen Rassismus und Faschismus von den Nationalsozialisten ins KZ verschleppt wurde, und an den Folgen schwerster Folter starb. Die hat öffentlich erklärt: „Der rassistische Mord an Marwa Elsherbiny ist kein Einzelfall; auch der Tod von Oury Jalloh durch Verbrennung in der Abschiebehaft und der Tod eines Abschiebehäftlings vor längerer Zeit wegen eines Brechmitteleinsatzes in der Abschiebehaft in Bremen harren einer Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit: Hier wie dort sind Gericht, Bundesland und die gesamte Bundesrepublik Deutschland verantwortlich für eine rückhaltlose Aufklärung.“

Im Falle von Marwa gibt es das rechtskräftige Urteil wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit einer Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Dies ist gut und notwendig – aber ist es auch ausreichend?

Muss nicht auf einen weiteren Umstand hingewiesen werden, der den Mordanschlag begünstigt und die Debatte hierüber in der Öffentlichkeit erschwert hat, und dafür verantwortlich sein dürfte, dass sogar das  Mahnmal für Marwa am Landgericht beschädigt und ihr Ansehen in den Schmutz gezogen wurde? Ich meine eine weit verbreitete ausländerfeindliche und rassistische Grundeinstellung in der Bevölkerung, die insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2001 das »Feindbild Islam« in immer größerem Umfang akzeptiert und trägt, wie die unsägliche Debatte über die so genannten »Thesen« eines Thilo Sarrazin(früheres Mitglied des Bundesbankvorstandes und heute noch Mitglied der SPD) verdeutlicht. Inzwischen ist nicht mehr zu leugnen: neben dem völkischen Rassismus von den Nazis und Neonazis die ausdrücklich ihre wahnhafte »Überlegenheit der germanischen Herrenrasse« postulieren, existiert eine neue Form des Rassismus. Diese schreibt bestimmten Gruppen von Migrantinnen und Migranten bestimmte negative Eigenschaften zu, vor allem nach ethnischen und religiösen Merkmalen und der Hautfarbe. So behauptet Sarrazin allen ernstes, die Muslime aus den arabischen Ländern und der Türkei seien minderwertig, lebten »von unseren Steuergeldern« und »produzieren nur Kopftuchmädchen«! Derartige dumpfe rassistische Vorurteile sind durch die Sarrazin Debatte hoffähig geworden und gerade bei Akademikern und anderen, die zur selbst ernannten Elite dieses Landes gehören, besonders beliebt. Wird diese Rassisten nachgewiesen, dass sie wissenschaftlich unhaltbare Thesen aufstellen, die Grund- und Freiheitsrechte und internationale verbindliche Verträge mit den Füßen treten, weisen sie dies empört zurück und stellen sich selbst als Vorkämpfer des Grundrechts auf Meinungsfreiheit und  Opfer einer Medienhetze dar. Dabei zeigen nicht nur den Mordanschlag auf Marwa sondern auch die Brandanschläge auf Berliner Moscheen im letzten Herbst sowie alltägliche rassistische Beleidigungen und Beschimpfungen von Migrantinnen, ja Morddrohungen gegen den Menschen, die öffentlich Sarrazins rassistisches Gebräu zurückweisen, wer Opfer und der Täter ist. Erschien der Mord an Marwa vielen vor zwei Jahren noch als die Einzeltat eines verrückten Außenseiters, so ist heute nicht mehr zu leugnen, dass wir im Stadium einer rassistischen Pogromhetze angekommen sind. Umso wichtiger ist es, in dem Fall von Marwa diese Zusammenhänge und Hintergründe aufzuzeigen und darauf zu bestehen, dass sie restlos aufgeklärt werden.

Die Familie der ermordeten Marwa – also ihr Ehemann und jetzt Witwer, ihr Bruder und ihre Mutter – stehen auf dem Standpunkt, dass diese Verurteilung noch nicht ausreicht und sind deshalb an mich herangetreten, um weiter für sie auf juristischer Ebene zu kämpfen.

Als ich die umfangreichen Akten im letzten Jahr durchgearbeitet habe, ist mir aufgefallen, wie sehr das Verfahren wegen der Tötung von Marwa von dem Bemühen getragen war, die strafrechtliche Verantwortung ausschließlich auf  den »rassistischen Mörder« als Einzelperson zu konzentrieren und andere, sich aufdrängende Fragen schnell „ad acta“ zu legen. Ich meine jetzt nicht in erster Linie die Aufklärung möglicher, organisatorischer Hintergründe des Täters, der sich seiner Kontakte zu Neo-Nazis rühmte und zur Wahl der NPD aufgerufen hatte – auch wenn es ein merkwürdiger Zufall ist, dass ausgerechnet die genaue Ermittlung des Inhalts der bei ihm beschlagnahmten Festplatten seines Computers im Wesentlichen an einem unerklärlichen Brandes scheiterte, der während der Ermittlungen ausbrach.

Ich meine vielmehr zunächst die offensichtliche Mitverantwortung der zuständigen Richter!:

Seit dem 01.07.2009 stellt die kritische Öffentlichkeit zu Recht die Frage, wie es passieren konnte, dass der Täter mit seinem langen Messer unbehelligt in den Gerichtssaal gelangt ist, und dann auch noch unbehelligt Mehr als ein Dutzend tödliche Messerstiche in unmittelbarer Nähe eines Anwalts und des Richtertisches abgeben konnte, ohne das zunächst jemand außer ihrem Ehemann eingriff, der daraufhin selbst angegriffen und  schwer verletzt wurde. Sind doch in fast allen deutschen Gerichten Metalldetektoren zur Kontrolle und Verhinderung derartiger Attacken fester Bestandteil der Einrichtung – allerdings beim Landgericht Dresden erst nach dem Mordanschlag, so dass ausgerechnet die Familie und ihre Anwälte erstmalig in den Genuss dieser Kontrollen kamen!  Es fällt nicht leicht, auf einen zynischen Kommentar dazu zu verzichten. Auch ein Wachtmeister wurde in dem Verfahren wegen der rassistische Beleidigung von Marwa nicht hinzugezogen

–         Die Staatsanwaltschaft hat in dem Ermittlungsverfahren gegen die verantwortlichen Richter vor allem damit argumentiert, dass ein solcher tätlicher Angriff nicht vorhersehbar gewesen sei. Dies kann ich nicht nachvollziehen, hat doch der Täter  im Rahmen des vorangegangenen Beleidigungsverfahrens einen Brief an das Gericht geschickt, in dem es u. a. heißt:

„Jeder weiß, dass Islam geferliche und verrückte Religion ist, deren Angehörige die anderen „Nichtislamisten“ für unrichtige Menschen halten, die entweder zu bekehren oder zu vernichten gilt. Ganz zu schweigen dass derjenige der Islamisten, die in Deutschland leben, auf keinen Fall wollen das Land und deren Kultur zu akzeptieren wie es ist, sondern geben sich alle Mühe, es unbedingt nach seinen Geschmack und seinen verrückten-religiösen Vorstellungen zu verändern, anstatt sich selbst anzupassen. Angesichts dess allen ist durchaus verständlich, dass ich sie für Feinde halte und versuche nach Möglichkeit nicht mit ihnen in Kontakt zu kommen. Falls sie trotzdem in meine Privatsphäre eindringen wollen, trotz meiner Warnungen, werde ich schnell nervös. Keiner auf ganzer Welt kann mir vorschreiben, dass ich Feinde in meiner Nähe tolerieren muss… Um Wahrheit zu gestehen soll ich noch sagen, dass der Wahnsinn der Islamisten nicht nur von Religion bedingt ist, sondern auch erste Stelle von ihrer Rasse selbst, andernfalls würde ihre Kultur sich anders entwickeln.“

Dieses Schreiben wurde zwar zur Akte genommen und als Rechtsmittel bewertet, jedoch unverständlicherweise ohne weitere strafrechtliche Konsequenzen draus zu ziehen. Es ist offensichtlich, dass der Inhalt die Straftatbestände der Volksverhetzung und der Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft erfüllt. Dabei wäre es wichtig, derartigen rassistischen, islamfeindlichen Äußerungen eine klare strafrechtliche Antwort zu geben.

Hätten diese Ausführungen, wonach Marwa als „Islamistin“ kein Lebensrecht hat, nicht Anlass sein müssen zu besonderen Schutzvorkehrungen?

Ich habe daher im letzten Jahr bereits Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt, über die bis heute noch nicht entschieden wurde, jedenfalls habe ich keine Nachricht erhalten!?

Auch meine Versuche, im sogenannten Klageerzwingungsverfahren über das Oberlandesgericht Dresden eine Anklage oder zumindest weitere Ermittlungen gegen die zuständigen Richter zu erreichen, sind bisher fehlgeschlagen. Ich habe daher namens und im Auftrage der Familie Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben, mit der Begründung, dass die Grundrechte der Familie durch die unzureichenden Ermittlungen verletzt worden sind, und mit dem Ziel, die strafrechtliche Verantwortung auch der zuständigen Richter in einer öffentlichen Hauptverhandlung zu klären. Notfalls werden wir Kollege aus Kairo und ich die Menschenrechte der Familie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg erstreiten.

Ein weiterer, bisher keineswegs restlos aufgeklärter Umstand ist der Schuss aus der Pistole des herbeigerufenen, zufällig im Landgericht anwesenden Polizisten, der nicht etwa den Täter, sondern ausgerechnet den bereits schwer Verletzten, blutenden Ehemann im Bein traf. Das Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde sehr schnell von der zuständigen Staatsanwaltschaft Dresden eingestellt. Begründung: der Polizist habe aufgrund seiner versehentlichen Annahme, bei dem Mann handele es sich um den Täter, schuldlos gehandelt.

Ganz anders ging die Staatsanwaltschaft gegen die Medienwissenschaftlerin Dr. Schiffer vor. Diese hatte in einem Interview auf die Frage, wie es zu einer so tragischen Verwechslung kommen könne, eine nahe liegende Vermutung geäußert: bei der Verwechslung könnten eventuell unbewusst rassistische Vorurteile eine Rolle gespielt haben; will sagen: Täter des Mordanschlags auf die in ihrem Blut am Boden liegende Frau mit einem Kopftuch müsste der dunkelhaarige Mann im Gerichtssaal sein und nicht der blonde, der ja in Wahrheit der Täter war, wie es bei so genannten »Ehrenmorden« vorgekommen ist.

Dass Vorurteile über »südländische Tatverdächtige« auch bei der Polizei weit verbreitet sind, ist inzwischen durch Untersuchungen belegt, genauso wie die Gleichsetzung von Islam mit »Terrorismus« bei 80 % der deutschen Bürger. Und es ist offensichtlich unerträglich für Ermittlungsorgane, diesen Zusammenhang zu thematisieren und auf die hässliche Fratze des antimuslimischen Rassismus hinzuweisen. So also hat die  Staatsanwaltschaft die Medienwissenschaftlerin wegen Beleidigung der Polizei nicht nur beim Amtsgericht angeklagt, sondern ließ es sich nicht nehmen,  den eigentlich selbstverständlichen Freispruch, – hatte sie doch von dem ihr zustehenden Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit Gebrauch gemacht – auch noch anzufechten! Erst später wurde sie aufgrund wachsender Proteste eines besseren belehrt und zog das Rechtsmittel zurück…

Und in dem Zusammenhang komme ich wieder zurück auf die Erklärung der Familie zum ersten Jahrestag der Ermordung Marwas unter der Frage: „Ist das wirklich Gerechtigkeit?“ Darin heißt es:

„Ist es human, dass nach so einer Tragödie mit der völlig zerstörten Familie – eine schwangere Frau tot mit 18 Messerstichen in ihren Bauch, Vater mit einen Schuss und 16 Messerstichen zwischen Tod und Leben, ein drei Jahre altes Kind bedeckt mit den Blut seiner Mutter – alle Verantwortlichen nach Hause gingen, ohne irgendjemanden zu informieren: obwohl ihre Pässe, ihre persönlichen Informationen die Nationalität enthielten, wurde niemand über den Mord informiert, weder am Arbeitsplatz noch die Nachbarn, noch die Botschaft“

Wer wollte es der Familie unter diesen Bedingungen verdenken, wenn sie sich weigert, an einer offiziellen Gedenkveranstaltung  der Justiz des Freistaates Sachsen im Gerichtsgebäude des Landgerichts Dresden teilzunehmen, bevor die Verantwortung restlos aufgeklärt ist? In diesem Sinne bitten wir die kritische Öffentlichkeit um Unterstützung für den Kampf der Familie um Gerechtigkeit und gegen Rassismus – es sollte ein Anliegen unseres demokratischen Rechtstaates sein, nachdem der rassistische Mord und seine Begleitumstände von der offiziellen Politik bei uns erst zur Kenntnis genommen wurden, nachdem es in Ägypten zu ersten massiven Protesten gekommen war.

Berlin/Dresden im Juli 2011
Eberhard Schultz

Kritik an Polizeieinsatz als rassistisch = Beleidigung?

PRESSEMITTEILUNG
Hauptverhandlung im Kriminalgericht Moabit am 18.5.2011: Kritik an Polizeieinsatz als rassistisch = strafbare Beleidigung?

Am Mittwoch, den 18.5.2011, steht der 47-jährige Berliner Brian J. vor dem Amtsgericht Tiergarten, weil er gegen einen Strafbefehl über 20 Tagessätze wegen Beleidigung von Polizeibeamten Einspruch eingelegt hat. Meinem Mandanten, der unter anderem in dem demokratischen „Bündnis Mitte gegen Rechts“ mitarbeitet, wird vorgeworfen, die Polizeibeamten als »Rassisten« bezeichnet zu haben, als diese im Herbst letzten Jahres im U-Bahnhof Pankstraße, wo sich mehrere Dutzend (weiße) Personen aufhielten, gezielt nur zwei schwarze Frauen kontrollierten.

Bemerkenswert ist, dass die Polizeibeamten bei ihrer Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren darauf bestanden, dass eine Verurteilung meines Mandanten wegen Beleidigung in der Presse veröffentlicht werden sollte. Nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen ist eine derartige Beleidigungsanzeige von Polizeibeamten in Berlin kein Einzelfall. Offenbar soll versucht werden, Kritik an staatlichem Handeln zu kriminalisieren, obwohl sie ein Grundelement der freiheitlichen Demokratie sein sollte.

Die Verteidigung geht davon aus, dass die Beweisaufnahme ergeben wird: Der Vorwurf einer persönlichen Beleidigung wird sich nicht aufrechterhalten lassen und die Presse wird über ein freisprechendes Urteil berichten können. Denn die Kritik an einem derartigen Polizeieinsatz als »rassistisch« ist wissenschaftlich nicht zu beanstanden und vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Hierzu habe ich Beweisanträge zur Einholung von Sachverständigengutachten vorbereitet. Rassismus ist entgegen der landläufigen Meinung keineswegs nur rechtsradikales und neonazistisches Gedankengut und Handeln, sondern auch die Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe oder ähnlicher Merkmale, wie sie verstärkt in der Mitte der Gesellschaft und bei staatlichem Handeln festzustellen ist. Das Vorgehen der Polizei verstößt gegen den Gleichstellungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot, das inzwischen in einer Reihe internationaler Menschenrechtspakte verankert ist.

Die Verhandlung ist öffentlich.

Ort und Zeit: Amtsgericht Tiergarten, Kirchstraße 6, Saal 1002, Mittwoch, den 18.5.2011 Beginn: 11:45 Uhr

Berlin den 15.5.2011

H.-Eberhard Schultz

Pressemitteilung vom 15.05.2011


In der Hauptverhandlung unter großem Interesse der Öffentlichkeit (die mehr als dreißig ZuhörerInnen fanden nicht alle Sitzplätze) hat der Mandant sich dahingehend eingelassen, daß er die Polizeiaktion als „Rassismus“ kritisiert hat, die Polizisten aber nicht persönlich beleidigen wollte; und bekräftigte dies als seine verfassungsrechtlich geschützte Meinung, was von den ZuhörerInnen mit Beifall bedacht wurde. Ein als Zeuge vernommener Polizist sagte demgegenüber aus, es habe sich um eine aggressive persönliche Beleidigung gehandelt, wie sie immer wieder vorkomme, was er als unverschämt empfinde; obwohl sie doch nur die statistisch festgestellt hohe Kriminalität von Menschen „mit Migrationshintergrund“ bekämpften. Die Frage der Verteidigung, ob ihm die Statistik über die sehr viel höhere Opferzahl von MigrantInnen z. T. mit Todesfolge bekannt sei, verneinte er; die Frage ob ihm das Problem des strukturellen Rassismus, wie es in gezielten Kontrollen und Razzien gegen Nicht-Weiße ohne Verdacht zum Ausdruck kommt, bekannt sei, wollte er nicht antworten, die Staatsanwältin beanstandete die Frage als „nicht zur Sache gehörig“. Daraufhin unterbrach die Vorsitzende Richterin die Hauptverhandlung und bat um ein „Rechtsgespräch“ unter den JuristInnen.

Eine Viertelstunde später verkündete sie dann das auch vom Mandanten akzeptierte (und mit der Polizeiführung als Dienstherr der anzeigenden Polizisten und von der Staatsanwältin mit der Abteilungsleiterin abgestimmte) Ergebnis:
– das Verfahren wird nach § 153 StPO eingestellt (d. h. ohne jede Schuldfeststellung), die Kosten des Verfahrens und die Hälfte der notwendigen Auslagen (d. h. insbesondere der Verteidigerkosten) trägt die Staatskasse.

Artikel im Neuen Deutschland vom 19.05.2011

Artikel in der taz vom 19.05.20111

Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt

PM zu den Vorwürfen gegen Professor Dr. Heinrich Fink

PRESSEMITTEILUNG
zu den Vorwürfen gegen Professor Dr. Heinrich Fink anlässlich der Gedenkveranstaltung in Bergen Belsen am 17.4.2011: die angeblichen Beweise für seine Stasi-Tätigkeit existieren nicht – im Gegenteil!

Als Rechtsanwalt von Professor Dr. Fink stelle ich zu der Behauptung, er sei als inoffizieller Mitarbeiter der Stasi unter dem Decknamen »Heiner« tätig gewesen, fest: es ist richtig, dass er 1991 wegen dieser Behauptung vom zuständigen Senator fristlos entlassen wurde und das Landesarbeitsgericht die Kündigung abgesegnet hat. Wesentliches Beweismittel war ein Eintrag in Stasiunterlagen, wonach ein »IM Heiner« vom evangelischen Kirchentag berichtet habe – dies könne nur Professor Fink gewesen sein, obwohl der Stasioffizier, von dem der Eintrag über den Bericht stammte als Zeuge vor Gericht ausgesagt hatte, dass es sich nicht um Professor Fink gehandelt habe. Ich habe daraufhin gegen das Urteil eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die nach vier Jahren öffentlich verhandelt wurde. Das Bundesverfassungsgericht sah sich außer Stande, in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin einen Verstoß gegen Verfassungsgrundrechte zu sehen. In einer Pressemitteilung zu dem Urteil habe ich damals unter anderem ausgeführt:

»Es bleibt aber dabei: Prof. Fink war nicht „IM Heiner“, hat keine Verpflichtungserklärung unterschrieben, irgendwelche Berichte für das Mfs verfaßt, keine konspirativen Treffs durchgeführt, Geschenke angenommen o.ä. – geschweige denn, jemand geschadet, das hat er anläßlich der Urteilsverkündung noch einmal betont. Er wurde vielmehr wie alle, die in der DDR Verantwortung trugen, auch von der Stasi „abgeschöpft“ Er hat sich als engagierter Theologe immer wieder für die Bürgerrechte eingesetzt, wurde von der Stasi selbst flächendeckend überwacht, vor der Wende noch verprügelt usw. Es ist daher aus seiner Sicht zynisch, wenn das Urteil ausgerechnet ihn im Zusammenhang mit der erforderlichen „Einstellung zur Werteordnung des Grundgesetzes“ von Hochschullehrern vorhält:

„Studenten sollen durch Lehrer und Studium zu kritischem Denken und zu freiem, verantwortlichen, demokratischen und sozialem Handeln befähigt werden. Hochschullehrer müssen diesem Auftrag glaubwürdig gerecht werden. … Der Ruf einer Hochschule hängt nicht zuletzt von der Reputation ab, die ihre Professoren bei ihren Studenten, im Kollegium und in der Öffentlichkeit genießen. Eine Tätigkeit für das MfS führt zu einem weitreichenden Ansehensverlust.“

Ausgerechnet dem ersten frei gewählten Rektor der Humboldt Universität nach der Wende, der versucht hat, zusammen mit Studenten und Professoren die Humboldt Universität mit den vorhandenen Menschen im Sinne eines kritischen Reformmodells zu erhalten: Dies war der wahre Hintergrund seiner Entlassung, deshalb geriet er in die Schlagzeilen und wurde von manchen Politikern und den Meinungsmachern von FAZ, Spiegel u.a. als „IM Heiner“ diskriminiert. Die Betroffenen haben den Ruf der Universität nie gefährdet gesehen. Im Gegenteil noch nach seiner fristlosen Kündigung haben die maßgeblichen Gremien ihm erneut mit großer Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen, worauf das Urteil nur am Rande nach dem Motto hinweist: verfassungsrechtlich unbeachtlich. Daß aber bis heute sich niemand gemeldet hat, der von der angeblichen Tätigkeit für das MfS geschädigt wurde, während umgekehrt eine Reihe von Betroffenen das Engagement von Prof. Fink für ihre Bürgerrechte zu DDR-Zeiten dokumentiert haben, ficht die Bundesverfassungsrichter offensichtlich nicht an.« (Pressemitteilung vom 9.7.1997)

Jahre später wurde in einem Strafverfahren vor dem Berliner Amtsgericht gegen einen ehemaligen Stasioffizier festgestellt, dass dieser es war, der unter dem Decknamen »IM Heiner« vom evangelischen Kirchentag berichtet hatte. Es wäre also an der Zeit, diesen Justizirrtum zu korrigieren – jedenfalls sollten sich Demokraten und Antifaschisten, die gegen nationalsozialistische Kriegsverbrechen antreten, nicht von angeblich »erdrückenden Beweisen« irritieren lassen.

Berlin den 15.4.2011 Rechtsanwalt H.-Eberhard Schultz

Pressemitteilung vom 15.04.2011

Marwa El-Sherbinys Familie kämpft weiter

Marwa El-Sherbinys Familie kämpft weiter für Gerechtigkeit, gegen Rassismus

Das Oberlandesgericht Dresden muss über den Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage und Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen Richter des Landgerichts wegen fahrlässiger Tötung entscheiden – die Staatsanwaltschaft Dresden über eine neue Strafanzeige gegen den Mörder wegen Volksverhetzung, Beschimpfung von Religionsgemeinschaften u. a.

Hier meine Pressemitteilung vom 30.11.2010, gemeinsam mit dem Rechtsanwalt der Familie in Ägypten, Khaled Abou Bakr Othman.

Hier die ersten Berichte in den hiesigen Medien.

Die englische Version finden Sie hier, für weitere Informationen besuchen Sie die Seite docjazz.com.

Marwa El-Sherbiny´s family continues to fight for justice and against racism
The Higher Regional Court of Dresden has to decide on the request of public charges and re-opened investigations against judges of the District Court for manslaughter – the Prosecution of Dresden has to decide on a new charge against the murderer of sedition, abuse of religious societies and other charges

Press Release December 2, 2010

Strafanzeige gegen Sarrazin

Azize Tank und Gün Tank erstatten Strafanzeige gegen Thilo Sarrazin wegen Volksverhetzung u. a.

Am 27.08.2010 wurde die Strafanzeige und -antrag bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingereicht und umfangreich begründet. Sie ist inzwischen auch registriert.

Zur weiteren Entwicklung der Strafanzeige gegen Thilo Sarrazin:

Pressemitteilung

Will die Berliner Staatsanwaltschaft die Verantwortung für das Ermittlungsverfahren gegen Thilo Sarrazin abschieben?

Als Rechtsanwalt der Anzeigeerstatterrinnen habe ich erneut bei der Berliner Staatsanwaltschaft, die das Ermittlungsverfahren gegen Thilo Sarrazin wegen Volksverhetzung u.a. nach Hamburg abgeben will, interveniert: aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen ist die Berliner Staatsanwaltschaft verpflichtet, es hier durchzuführen. Dazu erklärt Frau Azize Tank, frühere Integrationsbeauftragte von Charlottenburg-Wilmersdorf, persönlich: »Ich finde es unerträglich, dass die Berliner Staatsanwaltschaft den Eindruck erweckt, als wolle sie dieses Ermittlungsverfahren gegen den umstrittenen früheren Berliner Finanzsenator und Bundesbanker loswerden; angesichts des unbestreitbaren Schwerpunktes seiner Aktivitäten in Berlin hätte ich erwartet, dass sich die hiesige Staatsanwaltschaft ihrer Verantwortung stellt – das heißt für mich, aus der Geschichte zu lernen!«

Mit Anwaltsschreiben vom 26.10.2010 habe ich Gegenvorstellung gegen die Abgabe der Ermittlungsakte an die Hamburger Behörde erhoben und vorsorglich eine neue Strafanzeige erstattet, diesmal ausdrücklich gestützt auf die Veröffentlichungen von Teilen seines Buches in der Bild-Zeitung und Interviews von anderen Blättern, die im Berliner Springerverlag erscheinen. Nachdem es Wochen gedauert hatte, bis die Strafanzeige vom 27.8.2010 überhaupt registriert wurde, hatte die zuständige Dezernentin bereits am 28.9. 2010 die Abgabe der Akte an die Hamburger Staatsanwaltschaft verfügt – ohne die Anzeigeerstatter innen zu informieren, obwohl ich in der Anzeige ausdrücklich darum gebeten hatte, mir vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Außerdem hatte ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vorabdruck des Buches nicht nur im Spiegel, sondern auch in anderen Printmedien erschienen ist, so dass nicht nur die Zuständigkeit der Hamburger Staatsanwaltschaft vorlag (bei so genannten Presseinhaltsdelikten nach § 7 Abs. 2 Strafprozessordnung als Erscheinungsort des
Magazins Spiegel zuständig).

Die Entscheidung, die gesamten Akten nach Hamburg abzugeben, ist also nicht vertretbar und muss revidiert werden.

In meinem neuen Schreiben ist ausführlich dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die angeblich wissenschaftlich fundierten »Thesen« Sarrazins unhaltbar und wissenschaftlich widerlegt sind. Außerdem hat er selbst inzwischen zugegeben, dass er die Zahlen zum Beleg seiner zentralen These, dass angeblich 70 % der türkischen und 90 % der arabischen Bevölkerung in Berlin vom Staat leben, diesen aber ablehnen und »ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert« frei erfunden hat: Wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, hat er zugegeben, dass es hierzu keinerlei Statistiken gibt »wenn man aber keine Zahl hat (muss) man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«.

Damit ist auch klar: mit seinen Behauptungen von der angeblich angeborenen Dummheit muslimischer Einwanderer, ihrer Gewalt- und Terrorismusbereitschaft und den hohen Kosten, die sie für den Staat verursachen, hat er vorsätzlich diskriminierende Behauptungen verbreitet und kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen.

Pressemitteilung vom 29.10.2010

Die Presseerklärung der Internationalen Liga für Menschenrechte vom 03.11.2010
Interview mit der jungen Welt vom 30.10.2010 (pdf)

Revisions-Hauptverhandlung gegen palästinensischen Demonstranten

Revisions-Hauptverhandlung gegen palästinensischen Demonstranten am Dienstag, den 7. September 2010 im Berliner Kammergericht

Am morgigen Dienstag findet die Hauptverhandlung über die Revision der
Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom März des Jahres statt.

Darin war der Kinderkrankenpfleger Issa H. in zweiter Instanz von den Vorwürfen der Volksverhetzung, öffentlichen Verwendung von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation und des Gebrauchs von Symbolen verbotener NS-Organisationen (86a des Strafgesetzbuches) und des Verächtlichmachens einer Religionsgemeinschaft wegen eines Protest-Plakates auf einer Demonstration gegen den Gazakrieg im Januar 2009 freigesprochen worden. Das Amtsgericht hatte ihn zuvor zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.

Das Landgericht hatte sich ernsthaft mit den Argumenten der Verteidigung auseinandergesetzt, wonach die Anklagevorwürfe der Staatsanwaltschaft haltlos sind und die verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte der Meinungsfreiheit, der Kunstfreiheit und der Demonstrationsfreiheit verletzen. Das freisprechende Urteil des Landgerichts ist von der Staatsanwaltschaft mit der Revision angefochten worden, allerdings nur wegen des Vorwurfs nach § 86a StGB.

Issa H. wollte mit einem selbstgemalten Pappschild »Wer wegsieht, ist schuldig!« in deutsch und arabisch und den Symbolen „David-Stern = Hakenkreuz“ gegen die Massaker des israelischen Militärs im Gaza-Krieg auf der Demonstration „Solidarität mit Palästina“ am 09. Januar 2009 protestieren. (vgl. die früheren Pressemitteilungen).

Darin sieht die StA entgegen dem Landgericht einen Verstoß gegen § 86a, weil es dabei weder auf die Angriffsrichtung noch die politische Motivation ankomme.

Demgegenüber geht das Landgericht von einer Straflosigkeit aus, insbesondere aufgrund der Einlassung des Angeklagten, Fernsehbilder von den Massakern des
israelischen Militärs im Gaza-Krieg hätten ihn an eigene Erlebnisse als Kind im
palästinensischen Flüchtlingslager im Süd-Libanon erinnert und er habe sich spontan entschlossen, ein Plakat zu malen – angeregt durch Berichte von den weltweiten Protesten, auf denen ähnliche Plakate und Transparente zu sehen waren; er habe sich mit den Symbolen – dem Hakenkreuz für den Völkermord an den Juden, dem Davidstern für den heutigen israelischen Staat – und dem Appell, nicht wegzuschauen, an die hiesige Öffentlichkeit gewandt; gerade aus der Verantwortung gegenüber den Verbrechen des Nationalsozialismus, die schon vor dem Holocaust mit Pogromen und Kriegsverbrechen begonnen hätten.

Die Verteidigung ist zuversichtlich, dass die Revision der StA letztlich keinen Erfolg haben wird.

H. Eberhard Schultz
Ort: Kammergericht, Saal I/345a, Elßholzstr. 30-33, Berlin-Schöneberg (U7 Kleistpark)
Zeit: 7.9.2010, 10:00 Uhr

Presseerklärung

Familienvater erneut wegen Körperverletzung vor Gericht

Am Montag, den 26. April 2010, beginnt vor dem Potsdamer Landgericht das Berufungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Musa E. Dem 47-jährigen Familienvater wird vorgeworfen, einen jungen Mann vor seiner Wohnungstür mit einem Tischbein geschlagen und verletzt zu haben. Zuvor hatte eine Gruppe Jugendlicher die kurdische Familie rassistisch beleidigt und gedroht, in die Wohnung einzudringen.

Im Februar 2009 war Herr E. nach sieben Verhandlungstagen vor dem Potsdamer Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Sein Anwalt Hans-Eberhard Schultz hatte nach Verhandlungsende angekündigt, den Richterspruch anzufechten. »Ich bin überzeugt«, so der Anwalt heute, »dass mein Mandat vor dem Landgericht
freigesprochen wird und die Richter den rassistischen Hintergrund des Tatgeschehens erkennen.«

Am 18. März 2007 wurden Musa E., seine Ehefrau und seine zwei Kinder, in ihrer Potsdamer Wohnung von einer Gruppe Jugendlicher, die sich vor dem Haus aufhielten, rassistisch beschimpft.

Zwei der Jugendlichen kamen in das Haus und begannen vor der Wohnungstür zu randalieren. Aus Angst rief Frau E. zwei Mal die Polizei, die die Lage offensichtlich weniger ernst nahm. Nachdem die Jugendlichen drohten einzubrechen, öffnete Herr E. die Tür und schlug die Angreifer mit einem Tischbein in die Flucht. Dabei soll er einen der Jugendlichen an der Schulter verletzt haben.

Herr E. hatte sich direkt nach dem Vorfall an die Opferperspektive gewandt, weil er sich und seine Familie als Opfer eines rassistischen Angriffs sieht. Während das Strafverfahren gegen den Jugendlichen, der die Gruppe angeführt haben soll, eingestellt wurde, steht Musa E. erneut wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht.

Prozesstermin 26. April 2010, 9:00 Uhr, Landgericht Potsdam


„Das Strafverfahren gegen Musa E. wegen gefährlicher Körperverletzung konnte in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Potsdam am 26.04.2010 erfolgreich beendet werden: Das Verfahren wurde endgültig nach § 153 StPO eingestellt; die Kosten und notwendigen Auslagen (also auch die Verteidigerkosten des gesamten Verfahrens) der Staatkasse auferlegt. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Potsdam auch das letzte Verfahren gegen Musa E. wegen (angeblicher) Beleidigung der Jugendlichen eingestellt und festgestellt, dass Musa E. entschädigt werden muss.
30.07.2010
Pressemitteilung des Vereins Opferperspektive e. V.

Merkt denn niemand etwas?

Den „Tod eines Staatsfeindes“ verkündet in großer Aufmachung die sich gern
als linksliberal bezeichnende Frankfurter Rundschau und widmet dem „Thema
des Tages“ in der Wochenendausgabe vom 8./9.08 gleich mehrere Seiten. „Wurde
die Liebe ihm zum Verhängnis?“ fragen sich Karl Grobe und Kollegen im
Hauptartikel zum Tode des „Top-Terroristen“ Baitullah Mehsud, der sich im
Zimmer seiner zweiten Frau befunden haben soll, als die Drohne (unbemannter
Flugkörper) mit einer ferngesteuerten Bombe Marke „Hellfire“ (Höllenfeuer)
einschlug und mit dem Paar „sechs Leibwächter“ tötete. Die in Radiomeldungen
vom Vortage genannten beiden ebenfalls getöteten Kinder finden hier keine Erwähnung.

Berichtet wird auch über frühere Drohnenangriffe im Juni gegen den „Top-
Terroristen“ in einem Taliban-Versteck. Beim anschließenden Begräbnis seien
„mit einem weiteren Drohnen-Angriff 45 Taliban“ getötet worden. Der Bericht
wird ergänzt durch einen Artikel des USA-Korrespondenten Dietmar Ostermann
mit dem Titel „Dringend benötigter Drohnen-Treffer“: „Der in diesem Jahr deutlich
gesteigerte Drohnen-Einsatz“ habe „bisher wenig Erfolge gebracht“, derweil
doch Obama für seine „neue Strategie“ dringend Erfolge brauche.

So und ähnlich sehen die Siegesmeldungen deutscher Massenmedien im siebten
Jahr des „internationalen Krieges gegen den Terrorismus“ aus. Als einziger
Wermutstropfen wird den Leserinnen und Lesern die Sorge von Experten übermittelt, daß „der Staatsfeind“ problemlos Nachfolger finde, deshalb werde der
neue Afghanistan-Kommandant sicher bald „frische Truppen“ anfordern. Mit
keinem Wort stellen die Autoren der ausführlichen Artikel die Art dieser Anschläge,
die „neue Strategie“, in Frage. Dabei müßte gerade den linksliberalen
Journalisten bestens bekannt sein, daß es sich um schwerste Kriegsverbrechen
oder schlicht Massenmord handelt: Denn derartige Angriffe auf Terrorismus-
Verdächtige sind selbst im Krieg verboten, weil damit zwangsläufig Unbeteiligte,
Nicht-Kombattanten gefährdet werden. Da aber die USA den Taliban in Pakistan
nicht offiziell den Krieg erklärt haben und das auch gar nicht können,
müßten sie versuchen, des mutmaßlichen Kriminellen mithilfe eines internationalen
Haftbefehls und eines Auslieferungsverfahrens habhaft zu werden. So
sieht es jedenfalls das Völkerrecht vor, das militärische Angriffe gegen Nicht-
Kombattanten verbietet.

Linksliberale Journalisten wissen das. Gerade sie haben seinerzeit die Wahl
Obamas und seine ersten Ankündigungen bejubelt, weil endlich das Folterverbot
und das Völkerrecht wieder zur Geltung kommen würden, auch und besonders
im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Das können sie kaum vergessen
haben. Wenn sie jetzt dennoch solche Siegesmeldungen von der Front am
Hindukusch verbreiten, wo bekanntlich unsere Freiheit verteidigt wird, bleiben
die Fragen: Merkt denn niemand etwas? Sind alle dem strahlenden Lächeln des
„Yes we can!“ erlegen? Und wird hier die zukünftige Kriegsberichterstattung
vorbereitet?

Wie wohltuend demgegenüber die Ausführungen des erzkonservativen Peter
Scholl-Latour im Fernsehen, der dazu auffordert, endlich aufzuhören, die
Selbstmordanschläge „feige“ zu nennen (feige seien doch allenfalls die Drohnenangriffe) und endlich auch mit den Taliban einen Dialog zu beginnen, weil
der Krieg am Hindukusch nicht zu gewinnen sei und dort nicht unsere Freiheit
verteidigt werde…

Eberhard Schultz
Beitrag für die Zeitschrift “Ossietzky” vom 30.07.2010

Rot schlimmer als Braun?

Der schwarz-gelbe Kampf gegen Extremismus ist eröffnet.

Wer den unsäglichen Versuch vieler bundesdeutscher Politiker, aus Anlass des Jahrestages des Mauerfalls, den »DDR-Unrechtsstaat« mit dem faschistischen NS-Regime auf eine Stufe zu stellen, für eine vorübergehende Erscheinung des politischen Sonntags-Geschäfts hielt, sollte sich eines Besseren belehren lassen …

Beitrag für die Antifa, Zeitschrift der VVN/BdA, 3-4/2010, Seite 16